22.06.2022

Nina Strassner plädiert, dass jede*r seinen Weg geht

Nina Strassner, Global Head of People Initiatives @ SAP SE - Fachanwältin Arbeitsrecht @ RAK SH - Kolumnistin @ WirtschaftsWoche - Vorständin @ Charta der Vielfalt, so findet man sie in LinkedIn. Sie hat eine Familie mit all ihren Ups and Downs und auch für ein Interview für ManagerMama.de Zeit gefunden. 

Als Autorin des Buches Keine Kinder sind auch keine Lösung griff Nina 2017 schon Themen aus dem Alltag in Unternehmen und von Eltern auf und paart ihre Erfahrung mit der rechtlichen Perspektive. Sie deckt Probleme auf und bringt sie schonungslos offen auf den Tisch. Ein wunderbares Buch, auch für Nicht-Eltern oder ganz besonders für die. 

Ich freue mich, dass ich mit Nina total offensprechen konnte und Euch hier einen Einblick in Ihre Sichtweise zu Mamas in Führungsrollen, Diversität und Zukunftsszenarien geben darf. 

Nina, wie bist Du eigentlich zu Deiner heutigen Aufgabe und zu Deinem Kernthema Diversity gekommen? 

Ich hatte nie geplant in einem Unternehmen ins Management einzusteigen und auch nicht dort Diversitätsmanagement zu machen. Der Weg begann mit normaler anwaltlicher Tätigkeit innerhalb der Lebenswelt, in der ich unterwegs war. Als ich Mutter wurde merkte ich wie sich die Welt um mich verändert hat und wie auch ich mich verändert habe. Dabei finde ich es wichtig, das so anzunehmen und zu sehen, was esse so mit einem macht. Ich bekam zum Beispiel recht überraschend für mich einen Zusatztitel gratis: BERUFSTÄTIGE MUTTER. Mein Mann war weiter einfach nur ein MANN, DER EIN KIND HAT. Dadurch habe ich damals eine andere Aufmerksamkeit entwickelt für Themen, die für Frauen im Berufsleben auftauchen und habe angefangen, diese ganzheitlicher anzugehen. Und wie das mit Leidenschaftsthemen so ist, überlegt man dann: was kann ich einbringen und ändern – bei mir war die Verbindung dazu eben das Recht. Ich habe mich dann auf Diversität spezialisiert und konnte irgendwann auch leichter gesellschaftsrechtliche Forderungen stellen oder Positionen verbreiten, die durch das rechtliche Schlaglicht ein gutes Gewicht hatten. 

Für Unternehmen ist es immer wichtiger, sich zum Thema Diversity externe Expertise an Bord zu holen. So kam ich dann zu SAP. Ich hatte dort im HR-Bereich ein Team, mit dem ich verantwortlich bin für alle HR-Programme und Initiativen für 23.000 Menschen in Deutschland in diesem Bereich. Seit 01.04. arbeite ich in einer neuen Rolle bei SAP global mit Fokus auf die Personalleiter der Länder bei uns und baue gerade das Team auf.

Diversität kann man nicht einfach machen

Besonders spannend im Unternehmenskontext ist, welche Kultur vorherrschen muss, damit Diversität funktioniert. Welche Einstellungen müssen die Führungskräfte und Teams dazu mitbringen? 

Wir geben den Weg nicht vor, sondern begleiten die Kollegen*innen dabei. Ich sehe mich auch nicht als diejenige, die Diversität macht – wie sollte ich das auch tun – sondern eher als eine Art Knotenpunkt, der die Themen rund um Diversität beleuchtet und dafür sorgt, dass sie eine zentrale Rolle spielen.

Beispielsweise 

  • stelle ich nicht nur Müttern, sondern auch Männern, Vätern, Kollegen*innen oder Führungskräften dieselben Fragen 
  • überlegen wir in welchem Kontext wir über Diversität sprechen, denn das ist am Ende Inklusion 
  • geht es mir darum, das Private auch ins Arbeitsleben zu bringen und die Hürden abzubauen, dass man auch am Arbeitsplatz darüber redet. Denn, nur so erfahren wir, ob Diverstiät am Arbeitsplatz eine Rolle spielt.

Hier fließt sehr viel Engagement und Zeit rein. Wie bringst Du denn Deine Familie und Karriere in Einklang?

Die ist überhaupt nicht im Einklang. Das ist eine tägliche Jonglage! Ich musste irgendwann verstehen, dass da immer Reibung entstehen wird, diese Reibung als Wärme zu interpretieren und zu sagen, natürlich reibt es da, denn sonst wirst du verrückt. Ich habe irgendwann akzeptiert, dass ich mal nicht zu einem Elternabend gehen kann und dass ich auch mal ein Theaterstück verpasse. Andererseits kann ich auch am Arbeitsplatz nicht sagen, alle Meetings finden nur noch zwischen 9 und 13 Uhr statt. Hier muss Flexibilität und Verantwortung her indem ich ehrlich sage warum ich später oder heute nicht kommen kann zu einem Meeting, wie z.B. „mein Kind heult“ ohne langes Entschuldigungsprozedere. Das hilft auch den anderen zu verstehen, dass nicht alles immer zusammenbricht, nur weil man sich mal auf was anderes konzentriert. 

… busy, busy. Ich kann trotzdem jederzeit aus einem Meeting raus, weil meine Tochter ein tolles Einhorn gemalt hat.

 

Zu Beginn meiner Managerzeit habe ich diverse Instagram-Kanäle – über die ich infiltriert bekommen habe “die Zeit mit Deinen Kindern kommt nie wieder” und das bei mir damals auf seltsame Plätze fiel, weil ich mich fragte: was bist Du für eine Mutter, wenn Du nicht ständig da bist etc. – einfach abgeschaltet und gelöscht. Denn das hat mich schwer getriggert, dabei haben andere in meinem Umfeld inklusive meinerKinder das gar nicht so empfunden abef ich musste hier meine Balance finden.

Quality Time mit meiner Familie nehme ich mir definitiv. Doch dann kann es auch sein, dass mir meine Kinder nach fünf Minuten sagen, dass sie jetzt alleine und in Ruhe Paw Patrol schauen wollen und ich bin voll enttäuscht, weil ich mir extra frei genommen habe. Es ist wichtig zu betonen, dass es eben auch quietscht und nicht aufhört zu quietschen. Es läuft nicht perfekt, was läuft schon perfekt?

Es ist Quatsch, dass man sich entscheiden muss zwischen Karriere und Mama-Sein. Das ist so nicht. Es ist von vielen eine Überhöhung von sich selbst, zu sagen: ich bin so busy, busy. Ich kann trotzdem jederzeit aus einem Meeting raus, weil meine Tochter ein tolles Einhorn gemalt hat. Man fragt sich vielleicht, wann bin ich eine echte Managerin oder eine vollwertige Anwältin? Wann bin ich eine echte Mutter? Davon sollte man einfach Abstand nehmen und sein, wie es sich für einen selbst gut anfühlt. Das kann sich auch immer wieder verändern und das ist total okay. Und verdammt schwer.

 

Verrätst Du uns wie ihr bei SAP konkret mit ManagerMamas umgeht und was müssen Unternehmen aus Deiner Sicht noch tun, um Mütter in Führungsrollen zu stärken?

Wichtig ist vor allem das Messaging. Welche Botschaften sendet ein Unternehmen und wie werden diese im Alltag umgesetzt. 

Außerdem ist es essenziell, früh in eine Konversation einzusteigen, so dass Frauen Entscheidungen selbst in der Hand haben, bevor sie Mütter werden. 

Was wir immer wieder feststellen, jüngere Frauen stellen sich Fragen, die sich jüngere Männer eher nicht stellen: 

  • kann ich eine Führungsrolle annehmen, obwohl ich Mutter werden möchte?
  • kann ich Führungskraft werden, obwohl ich einem halben Jahr Mutter werde
    • obwohl ich die Pille abgesetzt habe
    • obwohl ich schwanger bin

Natürlich kannst Du das. Und das ist auch die Aufgabe der Unternehmen, das glasklar zu vermitteln und nicht etwa zu vermitteln, daran sei was “unfair”.

 „Frechheit, da hat die doch diese Rolle angenommen, obwohl sie ein halbes Jahr danach ein Kind bekommen hat. Unkollegial.“ Wenn ich so was höre, muss dem nachgegangen werden, denn das ist dieses Mindset von dem alle reden, die Kultur, die sich ändern muss, den solche Sätze sind unkollegial. Nicht Kinder bekommen und Chancen ergreifen. Wer das als unfair bezeichnet, der oder die vielleicht überlegen, ob man als Führungskraft wirklich die Verantwortung übernimmt, die man nun mal hat. Meiner Ansicht nach fehlt diese Person in dem Punkt ein Leadership Skill, denn Führung und Management heißt, damit umzugehen, dass Menschen sich fortpflanzen und sich zu fragen was man vielleicht auch selbst falsch gemacht hat, wenn eine Mitarbeiterin einem sowas verschwiegen hat. Zudem ist Fortpflanzung nicht sowas Neues, würde ich sagen. Damit auf beiden Seite fair umzugehen und Lösungen zu finden, statt wegzuschauen und den Diskurs zu verlagern, das zu ermöglichen, dafür werden wir und alle anderen Führungskräfte schließlich bezahlt. Sonst muss man sich eben gegen Führungsaufgaben entscheiden, wenn man es sich leicht machen will bei der Frage.

Vertrauen ist keine Einbahnstraße

Wie stehst Du zu Führungskräften in Teilzeit?

Teilzeit als Führungskraft ist aus meiner Sicht absolut möglich, aber nicht grenzenlos. 70-80% halte ich oftmals für machbar. Darunter wird es in alleinigen Führungsrollen aus meiner Erfahrung bisher noch schwierig. Alle SAP-Führungspositionen sind proaktiv in Teilzeit mit 80% ausgeschrieben. Es ist also optional zw. 80-100% zu arbeiten. 

Dabei finde ich das Thema Vertrauensarbeitzeitkultur wichtig. Wir haben Arbeitspakete, wissen was unser Job ist und den machen wir. Wenn jemand das Di, Mi, Do und samstags machen will, ist das genauso gut. 

In Summe haben es Unternehmen in der Hand, ob und wie sie Arbeitspakete vergeben – egal wann und wie jemand diese bearbeitet. Wobei Team-Führung und Meetings eben auch weiterhin wichtig sind und nicht einfach wegfallen können – gerade als Führungskraft. Insgesamt wird uns dieser Weg der Vertrauensarbeitszeit in die Zukunft tragen – auf jeden Fall in den meisten Bürojobs. Vertrauen ist dabei keine Einbahnstraße. Heißt z.B. „Gut, ich setze mich von 20-22 Uhr nochmal hin, dafür habe ich von 15-17 Uhr am Fußballplatz gesessen“.

 

Wenn Du an die Zukunft denkst, welche relevanten Kompetenzen bringen insbesondere Managerinnen mit? 

Es ist wichtig, an den richtigen Stellen über die Unterschiede von den Geschlechtern zu sprechen und andersherum die Stellen herauszufinden, wo das nicht wichtig ist. Der Satz “ich sehe keine Farben oder kein Geschlecht” ist ignorant und zudem einfach unwahr. Wir sehen die alle und die Welt sit nicht so einfach, wie es sich diejenigen machen wollen. Aus dieser Erfahrung heraus haben Männer und Frauen einen unterschiedlichen Blick auf die Welt. 

Frauen sind das Doppelklicken mehr gewöhnt

 

Frauen haben andere Betrachtungswinkel, weil ihr Umfeld anders auf sie reagiert. Die Bereitschaft nochmal genauer hinzuschauen und nachzufragen, da sind Frauen oft stärker. Wir vertrauen dem ersten Anschein seltener, weil es im Alltag ständig notwendig wird, das zu tun. Ich glaube, das ist letztlich eine wichtige Kompetenz, die wir uns erhalten und eher öfter einsetzen sollten. 

Vielen Dank, Nina, für das spannende Interview!

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