29.06.2023

Mach aus dem Schreckgespenst Mental Load einen Partner auf Augenhöhe!

Es ist wieder einer dieser Tage: morgens schon die Klamottenfrage „das ist nicht cool, das passt nicht“, ich dachte immer das sei v.a. ein Mädchen-Ding, aber naja, ist bei meinen Jungs auch so. Schnell die Brotzeit gerichtet und nebenbei den Einkaufszettel vervollständigt, Kaffee zwischendurch und Abstimmung, wer die Kids zum Sportprogramm am Nachmittag bringt. Ach so, der Kindergarten schließt mal wieder 2,5 Stunden früher wegen Personalmangel – erfahre ich heute Morgen um 7 für denselben Tag – dann also auch noch schnell Termine verlegen und das Einkaufen auf Mitternacht verlegen – ups, leider haben hierzulande die Supermärkte schon um 20 Uhr geschlossen. Na gut, dann nur noch das Geburtstagsgeschenk für´s Wochenende organisieren und halt, es müssen noch neue Schuhe her, ein paar Sandalen reicht nicht aus bei den akuten Wasser-, Sand-Eskapaden, das andre Paar ist nach nur zwei Monaten schon wieder zu klein. Habe ich noch was vergessen? Ach ja, die Me-Time – Joggen und Natur ist Pflichtprogramm für mich, denn sonst würde ich das Pensum nicht mit einem Grinsen überleben.

Ja, ich denke, das nennt man, seit der Begriff in den 70er Jahren das erste Mal aufkam: MENTAL LOAD.

Die US-Autorin Anne Tyler verwendete ihn damals in ihrem Essay „Still just writing“, in dem sie die Schwierigkeiten beschreibt, im Familien-Alltag Zeit für ihre schriftstellerischen Tätigkeiten zu finden. Allgemein definiert die Equal Care Day Initiative Mental Load so:

„Mental Load bezeichnet die Last der alltäglichen, unsichtbaren Verantwortung für das Organisieren von Haushalt und Familie im Privaten, das Koordinieren und Vermitteln in Teams im beruflichen Kontext sowie die Beziehungspflege und das Auffangen der Bedürfnisse und Befindlichkeiten aller Beteiligten in beiden Bereichen.“

Alltäglicher Wahnsinn oder eine der schönsten Herausforderungen?

Ich frage mich schon seit über einem Jahr, da kam mir der Begriff immer häufiger zu Ohren, was ich davon halten soll. Mittlerweile bin ich überzeugt, dass Mental Load existiert und für einige eine echte Herausforderung und sicherlich auch gesundheitliche Gefahr sein kann. Wie bei so vielen Dingen ist es dann nahezu existenziell, eine Lösung zu finden und wieder in Balance zu finden. Denn Fakt ist doch – insbesondere, wenn ich mich bewusst entschieden habe, Karriere zu machen UND Mama zu sein: die Aufgaben / Last im Alltag ist zugleich Teil einer der schönsten Herausforderungen im Leben. Ich habe mich selbst schon oft sagen gehört: Kids sind im Vergleich zur Arbeit die größte Herausforderung, aber auch die Schönste und dabei bleibe ich – zumindest unter der Voraussetzung, dass keine schlimmsten Faktoren, wie ernsthafte Krankheiten, das Bild komplett auf den Kopf stellen. Toitoitoi.

Ja, so Tage wie eingangs beschrieben können echt stressen und nerven, keine Frage. Aber sie sind auch regelbar. Gerade als Mama bleibt es aus meiner Sicht dabei, dass viele Dinge uns etwas stärker von Natur aus und evolutionär gegeben sind als einem Mann – sei es das Abspeichern von aktuellsten Schuh- und Kleidergrößen, die Durch- und Umplanung des Wochenalltags und das Kontrollieren ungeplanter Fakten, wie Betreuungsausfällen, Krankheit oder Launen des engsten Umfelds. Dennoch, zwei Dinge, die ich festgestellt habe:

  1. Alles lässt sich regeln und wenn nicht, stehe ich mir oft selbst im Weg
  2. Es gibt genügend Väter mittlerweile, die vieles davon mittragen und sich mit den Alltagspflichten bestens auskennen und Überraschungen toll kompensieren

Mental load im Job

Auch im beruflichen Umfeld – als Mama, die eine verantwortungsvolle (Führungs-) Rolle im Job inne hat (sicherlich auch für andere zutreffend, aber wir beiben jetzt mal beim ManagerMama-Fokus) – prasseln täglich Anforderungen auf uns ein, die zu Druck und Stress führen können.

  • Termindruck
  • Verantwortung für das Team, Projekte oder Ergebnisse
  • Überstunden
  • Dauer-Online-Präsenz
  • Persönlich unpassende Unternehmenskultur

Als Managerin in einer anspruchsvollen Position und Mutter ist der Spagat zwischen Karriere und Familienleben immer wieder eine Herausforderung. Der Stress, der mit diesen beiden Rollen einhergeht, kann einen erheblichen Einfluss auf die mentale Gesundheit haben. Darum kann man gar nicht früh genug, Ausgleichsstrategien in den Alltag integrieren, um gesund und positiv gestimmt zu bleiben.

Zu lösende Herausforderungen für eine starke mentale Gesundheit

  1. Zeitmanagement: Die Doppelbelastung als Managerin und Mutter erfordert ein effektives Zeitmanagement. Die Anforderungen des Jobs und die Bedürfnisse der Kinder geraten leichter mal in Konflikt. Der ständige Druck, beiden Rollen gerecht zu werden, kann zu einem Gefühl der Überforderung führen.
  2. Schuldgefühle: Viele Managerinnen fühlen sich schuldig, wenn sie ihre Zeit zwischen Arbeit und Familie aufteilen müssen. Das Bedürfnis, an beiden Fronten perfekt zu sein, kann zu einem ständigen Gefühl der Unzulänglichkeit führen. Denk doch mal anders rum: Deine Kinder sind so glücklich wie Du selbst es bist – wenn Du also beides willst, dann tu´s voller Leidenschaft – Managen und Quality Time mit Deinen Kindern verbringen und schon fühlt es sich viel leichter an.
  3. Soziale Unterstützung: Managerinnen haben manchmal Schwierigkeiten, ausreichend soziale Unterstützung zu erhalten, da sie oft sehr beschäftigt sind und es schwierig sein kann, sich Zeit für soziale Kontakte zu nehmen. Zwar ist das soziale Gefüge wichtig für die die mentale Gesundheit, aber irgendwann hat der Tag halt doch nur 24 Stunden. Eine wunderbare Nanny oder ein Sportverein mit den Kids (so kommt idealerweise gleich jeder in Bewegung) kann hier schon gut weiterhelfen.

Bewährte Strategien zur Förderung der mentalen Gesundheit:

  1. Druck teilen: Ruf eine Freundin, Deine Schwester oder Mama an und mach nicht alles mit Dir selber aus! Es kann so gut sein, einfach zu erzählen, was gerade los ist oder sich im wahrsten Sinne mal auszuweinen.
  2. Selbstfürsorge priorisieren: Es ist wichtig, sich selbst an erste Stelle zu setzen und Zeit für Entspannung und Erholung einzuplanen. Das klappt nicht ist eine Ausrede. 10-15 Minuten gehen jeden Tag, i.d.R. pro Woche mindestens 1-2 Stunden. Z.B. für Hobbys, Sport oder einfach nur zum für sich sein.
  3. Unterstützung suchen: Es ist entscheidend, sich ein starkes Unterstützungsnetzwerk aufzubauen. Das kann aus Freunden, Familie oder anderen Müttern und Managern bestehen, die ähnliche Herausforderungen meistern. Auch das Teilen von Aufgaben und Verantwortlichkeiten mit dem Partner oder anderen Familienmitgliedern kann helfen.
  4. Flexibilität im Beruf: Das Streben nach Balance erfordert oft Flexibilität seitens des Arbeitgebers. Offene Kommunikation und das Erkunden von Möglichkeiten wie Teilzeitbeschäftigung, Home-Office oder flexible Arbeitszeiten können den Druck verringern. Fragen kostet ja nichts.
  5. Stressbewältigungstechniken anwenden: Techniken wie Meditation, Atemübungen und Achtsamkeitstraining helfen, Stress abzubauen und die mentale Gesundheit zu stärken. Es lohnt sich, sie in den Alltag zu integrieren, um Momente der Ruhe und Entspannung zu schaffen. Siehe „Selbstfürsorge“.

Handbremse ziehen bevor es zu spät ist

Jetzt mal Butter bei die Fische. Das darf eigentlich nicht wahr sein. Eine Forsa-Studie aus dem Jahr 2019 – dabei sei zu beachten, dass die psychischen Erkrankungen in den letzten Jahren kontinuierlich steigen – besagt, dass 40% der Eltern sich gestresst fühle. Davon leiden 79% unter Erschöpfungszuständen oder Burn-Out. Bei Frauen wird geht es um Mental Load immer wieder vom Mütter-Burn-Out gesprochen.

Das darf einfach nicht wahr sein. Ich möchte daher jede:n Leser:in motivieren: mach aus dem Schreckgespenst Mental Load einen Partner auf Augenhöhe. Lass die Anforderungen aus der Kombination von Familie und Beruf Dich nicht übermannen. Zieh die Handbremse BEVOR es zu spät ist. Und denk dran: einen nicht unrelevanten Teil macht die Einstellung zu dem, was wir bewältigen DÜRFEN.

Dabei gilt es noch einmal zu betonen, dass sich die Rollenverteilung und die Wahrnehmung von Mental Load in den letzten Jahren verändert haben und immer vielfältiger werden. Väter nehmen zunehmend aktivere Rollen im Familienleben ein und teilen die Verantwortung für die Organisation des Alltags mit den Müttern.

Dennoch besteht immer noch eine Diskrepanz zwischen den mentalen Lasten, die beide Elternteile tragen. Studien zeigen, dass Väter im Durchschnitt weniger mentale Last empfinden. Umso besser, wenn auch sie das wissen und noch mehr mit anpacken einerseits und Türen für Mütter in Führungsrollen öffnen oder offen halten.

 

 

Quellen:

  1. R. Craske, "The Psychological and Physical Benefits of Meditation," J Psychol Psychother 8:3 (2018): 1-3.
  2. N. Ahmadpour, M. Torabi, "The Effectiveness of Mindfulness-Based Stress Reduction on Maternal Stress and Anxiety: A Systematic Review," Iran J Nurs Midwifery Res 23:2 (2018): 79-86.
  3. R. E. Goyal et al., "Meditation Programs for Psychological Stress and Well-being: A Systematic Review and Meta-analysis," JAMA Intern Med 174:3 (2014): 357-368.

 

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